An einem Wochenendabend rief mich ein Freund an, der Geschäftsmann ist und sagte, dass er am nächsten Tag eine ältere Dame aus Hongkong zu mir bringen wolle. Sie ist die Ehefrau eines seiner wichtigsten Kunden und hat Neurodermatose, die nach der TCM-Theorie als Hautflechte bezeichnet wird. Ich sagte, dass ich so etwas nicht behandeln kann. Aber er antwortete, dass diese Frau schon lange meinen Namen kannte und mich unbedingt aufsuchen wollte. Außerdem ist ihr Mann einer seiner wichtigsten Kunden, daher sollte ich ihm unbedingt helfen.
Am nächsten Morgen standen die beiden sehr früh schon vor meiner Tür, also hatte ich keine andere Wahl. Unter den Medizinern gibt es einen Spruch: „Chirurgen behandeln keine Flechten. “Das hat seine Gründe. Die Auslöser dieser Erkrankung sind sehr kompliziert und vielseitig und können nur schwer beseitigt werden. Bei solchen hartnäckigen Krankheiten kenne ich natürlich die Grenzen meiner Fähigkeiten und möchte auch nicht die Zeit meiner Patienten verschwenden. Da sie schon da war, fing ich an, ihren Puls zu fühlen und fand heraus, dass manche Stellen sehr schwach waren und andere sehr stark. Ihre Niere schwebte ziemlich lose. Urin und Stuhl zeigten bei ihr aber normale Werte an, auch hatte sie einen guten Appetit. Bis auf die Hautprobleme am ganzen Körper hatte sie eigentlich keine anderen Beschwerden. Sie hatte in Europa, Amerika und Canada verschiedene Ärzte aufgesucht, hatte aber keinen Erfolg.
Wieder eine Person mit emotionalen Blockaden! Ich sagte zu ihr: „Sehr geehrte Frau, Sie sind eigentlich ganz gesund. Aber Sie fühlen sich sehr unglücklich und können ihren Gefühlen nicht freien Lauf lassen. Einmal richtig heulen könnte Ihnen gut tun.“ Kaum hatte ich zu Ende geredet, brach sie schon in Tränen aus. Sie erzählte mir, dass ihr reicher Mann vor ein paar Jahren eine Affäre gehabt hatte. Die Geschichte sei zwar schon vorbei, aber ihre Blockade sei immer noch da. Sie konnte ihrem Man nicht wirklich verzeihen. Leider konnte sie mit niemandem darüber reden. Ich tröstete sie nicht. Ich stellte nur ab und zu ein paar schmerzhafte Fragen, sodass sie immer weiter erzählen und weinen würde. Eine Stunde lang saßen wir da, sie erzählte, und ich hörte ihr zu. Allmählich beruhigte sie sich wieder. Ich tastete dann noch einmal ihren Puls. Die Frequenz der entsprechenden Organe war nun ruhiger. Das Herz und die Lunge wurden kräftiger. Sie sagte, sie schwitze. Ich massierte ihren Tai-Chong-Punkt (LR3) auf dem Lebermeridian, und sie spürte starke Schmerzen. Ich klopfte ihren Gallenmeridian (äußere Seite des Oberschenkels) entlang, und sie konnte die Schmerzen kaum ertragen. Anschließend reizte ich den Yang-Lin-Quan-Punkt (GB34), um die giftige Energie in den Darm abzuleiten. Zuletzt massierte ich ihren San-Jiao-Meridian an der Armrückseite und den Tan-Zhong-Punkt (RN17, liegt zwischen den Brüsten) auf dem Ren-Meridian. Sie fing an, aufzustoßen und zu pupsen, und schämte sich deswegen sehr. Sie entschuldigte sich, und nun tröstete ich sie: „Alles ist jetzt raus und die Blockade ist weg. Für Ihre Krankheit haben wir nun ein Mittel.“
Es ist zwar eine Hauterkrankung, aber der Auslöser ist ein Problem in der Leber. Nicht die Leber selbst, sondern das Qi ist in der Leber blockiert, sodass die entgiftende Funktion der Leber gestört wird. Die Leber ist die größte Maschine im Körper, die alle Gifte bekämpft. Sie zersetzt Gift aus Essen, Blut sowie anderer ungesunder Energie, sodass Niere, Blase und der Harnstrang die Gifte in Urin umwandeln und heraustreiben können. Nach der TCM-Theorie kann Aufregung und Ärger der Leber schaden. Wenn die Leber dadurch angegriffen wird, funktioniert sie nicht mehr normal und sie kann die Gifte nicht gründlich zersetzen. Viele Gifte suchen sich dann ihren Weg direkt durch die Niere nach draußen. Dadurch bilden sich aber schnell Steine und die Niere kann sie nicht hinausbefördern. So kommen die Steine ins Blut und bewegen sich mit dem Kreislauf mit. So wird das Blut auch verschmutzt. Unser Körper weiß sich dagegen zu schützen und möchte nicht, dass andere Organe angegriffen werden. Daher lässt er die Gifte durch die Poren hinaus. Die Poren sind eigentlich auch Kanäle der Entgiftung, können aber nur 8 % der Gifte nach außen befördern. Obwohl sie nur diese geringe Fähigkeit besitzen, müssen sie dann 80% des Giftflusses übernehmen und zwar ihr Leben lang. Daher ist die Haut ständig von Giften überschwemmt und belastet. Hautflechten sind Symptome für extreme Mengen von gesammelten Giften, die unbedingt nach außen befördert werden müssen. Die Haut ist also das Opfer der Gifte von inneren Organen. In Wirklichkeit müssen wir den Flechten danken, denn wenn die Gifte nicht durch die Haut rauskommen, könnten sie vielleicht im Körper Tumore und Gicht verursachen oder aber auch anderen Organen schaden. Die Leber könnte auch direkt geschädigt werden. Am schlimmsten wäre es, würde eine Leberzirrhose entstehen, oder? Einmal besuchte mich ein schwedischer Experte für Naturheilkunde und erzählte mir, dass er die Reflexzonen für Niere, Harnröhren sowie Blase an Patienten massiert habe, die unter Neurodermatose litten. Mit dieser Methode sind die Patienten geheilt worden. Das war eine Sensation in der Welt der Naturheilkunde. Ich sagte: „Ihre Denkweise ist sehr gut, denn die Gifte sollen an den geeigneten Stellen nach außen befördert werden.“
Zurück zum Thema mit der Frau von vorhin: ich riet ihr, zu Hause die Stelle, die ich bei ihr massiert hatte, weiter zu massieren. Ich schenkte ihr sogar einige chimonanthusförmige Nadel (Chimonanthus ist eine chinesische Winterblüte – vom Übersetzer) und sagte zu ihr: „Wenn es in der Nacht zu sehr juckt und sie nicht einschlafen können, können Sie mit dieser Nadel sanft auf die juckende Stelle stechen. Wenn es leicht blutet, geht der Juckreiz weg.“ Das freute sie sehr und sie sagte: „Zwischen 12 Uhr und 3 Uhr nachts kann ich wegen des Juckreizes nie schlafen.“ Sie fragte mich anschließend, ob eine ihrer Verwandten, die ebenfalls unter dieser Krankheit leide, auch diese Methode mit der Nadel anwenden solle. Ich sagte sofort nein, denn ihre Entgiftungsfunktion der Leber war durch meine Behandlung wieder repariert worden. Die Kanäle seien nun frei für die Gifte. Die Gifte gingen nun den normalen Weg entlang und kämen heraus. Der Juckreiz in der Nacht komme vom kleinen Rest der Gifte. Wenn man mit der Nadel sticht, geht auch der Rest durch die leichte Blutung weg. Wenn aber die Entgiftungsfunktion der Leber nicht repariert wird, können die Gifte nur durch die kleinen Wege, nämlich die Poren, hinaus. Wenn man zusätzlich noch auf die erkrankte Stelle sticht, dann drängen die Gifte durch diese Stelle nach außen. Die Erkrankung wird also an dieser Stelle noch schlimmer. Obwohl die Beseitigung von Giften durch die Behandlung der Haut es auch eine bekannte Methode ist, muss dabei gleichzeitig der Aderlass oder das Schröpfen angewandt werden. Außerdem sollte zuzüglich noch Kräutermedizin als Unterstützung eingenommen werden. Der ganze Vorgang ist zu kompliziert und der Patient selbst sollte dies lieber lassen. Ich rate also davon ab, selbst direkt mit Nadeln die erkrankte Stelle zu behandeln.
Ich schlug ihr vor, nicht mehr andauernd an die Vergangenheit zu denken, denn sonst werde der Auslöser der Krankheit nie wirklich verschwinden. Sie antwortete: „Ich versuche es. Manchmal ist es wirklich schwer.“ Tja, ich habe auch keine bessere Lösung. Wir sollten einfach akzeptieren und verzeihen können.
Ich bin keiner, der sehr gut trösten kann. Denn ich denke oft: “Lasse schöne Wörter und Mitleid beiseite. Patienten mit psychischen Problemen brauchen Willenskraft. So etwas kann ihnen niemand geben. Nach zwei Wochen rief sie mich an und sagte, sie sei komplett gesund. Ihr psychischer Zustand sei auch sehr stabil. Außerdem erzählte sie mir, dass sie gerade Jin-Gang-Jing (ein heiliges Buch der Buddhisten – vom Übersetzer) lese und unheimlich viel Kraft davon bekomme, vor allem durch den Satz: „Lassen wir alles Äußere weg, lernen wir unser wahres Herz kennen.“
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